Misteltherapie

Die Misteltherapie ist in Deutschland die am häufigsten angewandte komplementärmedizinische Maßnahme in der Onkologie. Es wird dabei zwischen anthroposophischen und phytotherapeutischen Präparaten unterschieden.

Die anthroposophische Misteltherapie erfolgt mit einer Auswahl verschiedener Präparate von unterschiedlichen Wirtsbäumen (z. B. Abnobaviscum, Helixor, Iscador). Die Präparate unterscheiden sich in Zusammensetzung und Wirkung und werden je nach Tumorart und Tumorlokalisation sowie nach Geschlecht, Konstitution und Allgemeinzustand der Patientinnen oder Patienten individuell verabreicht.

Phytotherapeutische Präparate basieren auf Mistellektin-1-normierten Mistelextrakten (z. B. Lektinol). Sie enthalten eine gleichbleibende Mistellektin 1 Dosis und werden in Anlehnung an das Körpergewicht verabreicht.

Die experimentelle Erforschung von anthroposophischen und phytotherapeutischen Mistelextrakten sowie Mistelextrakt-Komponenten (z. B. Mistellektin 1) ist weit fortgeschritten. Neben den zellabtötenden und immunaktivierenden Eigenschaften im Reagenzglas wurde in Tierversuchen außerdem eine vielversprechende Wirkung von Mistelextrakten gegen Tumore, Metastasen und Infektionen nachgewiesen.(1)

In klinischen Pilotstudien mit Brust-, Eierstock- und Lungenkrebspatientinnen und -patienten wurden Nebenwirkungen der Krebsstandardtherapien, wie z. B. Übelkeit, Erbrechen, Gewichtsabnahme, Müdigkeit und depressive Verstimmungen durch eine komplementäre Mistelextrakttherapie reduziert. Die Mistelextrakttherapie führte in klinischen Studien außerdem zu einer Verbesserung der Lebensqualität.(2,3)

Bewertung

Klinische Untersuchungen und Studien zeigten Krebsart- und Krebsstadium abhängig Reduktionen von Nebenwirkungen der Krebsstandardtherapie, damit einhergehende Steigerung der Lebensqualität sowie Normalisierung von Abwehrfunktionen, sowohl unter anthroposophischer als auch unter phytotherapeutischer Misteltherapie.

Alle Studien weisen allerdings gravierende methodische Mängel auf, bedürfen der Bestätigung und können insbesondere die Unbedenklichkeit und Wirksamkeit der Misteltherapie bislang nicht belegen. Ein reproduzierbarer Wirksamkeitsnachweis ist bisher nur zur Verbesserung der Lebensqualität von Krebsbetroffenen in der palliativen Situation erfolgt.

Zu beachten sind neben der Indikation (palliative Maßnahme bei reduzierter Lebensqualität im Gefolge fortgeschrittener Krebserkrankungen) insbesondere die Abhängigkeit von Krebsart und Krebsstadium.

Die komplementäre Misteltherapie hat sich in klinischen Studien bislang ausschließlich zur Verbesserung der Lebensqualität in der palliativen Therapie von fortgeschrittenen Krebserkrankungen als wirksam erwiesen. Für alle anderen Indikationen liegen unbedenklichkeits- und wirksamkeitsbeweisende Studien bislang nicht vor, so dass eine Empfehlung nicht erfolgen kann.

Achtung

Mangels kontrollierter klinischer Studien zur Unbedenklichkeit und Wirksamkeit bei Tumoren des blutbildenden Systems (z. B. Leukämien, Lymphome) sollten Mistelextrakte bei diesen Erkrankungen nicht beziehungsweise ausschließlich unter strenger Indikationsstellung im Rahmen von kontrollierten klinischen Studien verabreicht werden.

Wie in Studien gezeigt wurde, könnte die Immunstimulation durch Mistelextrakte insbesondere bei diesen Erkrankungen (aber durch Fehl- bzw. Überstimulation auch bei anderen Krebserkrankungen) zu unerwünschten Effekten führen, z. B. Krebszellwachstum durch Komponenten der Mistelextrakte oder durch freigesetzte Wachstumsfaktoren.

 

Quellen

(1) Scheer R (Hrsg.) (2009). Die Mistel in der Tumortherapie 2. Aktueller Stand der Forschung und klinische Anwendung. Essen: KVC-Verl.
(2) Kienle GS et al. (2003). Mistletoe in cancer – a systematic review on controlled clinical trials. European journal of medical research. 8(3):109–119
(3) Horneber MA et al. (2008). Mistletoe therapy in oncology. The Cochrane database of systematic reviews. (2):CD003297